2011 gründete sich Kultour-Gut!, der Heimat- und Kulturverein Glandorf e.V.. In den Anfangszeiten beliefen sich die Mitgliederzahlen auf 50-60 Personen, den Ehrenamtlichen stand ein winziges Altbaubüro auf 15 Quadratmetern zur Verfügung. Bei aller Motivation, sich für die Kultur in der 7.000-Seelen-Gemeinde Glandorf im Landkreis Osnabrück zu engagieren, fehlte dem Verein damals vor allem eines: ausreichende Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Ausstellungen, für Kurse oder einfach als Treffpunkt. 2019 bot sich das geräumige, allerdings stark sanierungsbedürftige „Haus Wibbelsmann“ als neuer Ort an – und ein Team um den geschäftsführenden Vereinsvorstand ergriff diese Chance. Unter großem Einsatz wurden Gelder eingeworben und die Sanierung des Gebäudes vorangetrieben, auch die Niedersächsische Sparkassenstiftung unterstützte gemeinsam mit der Sparkasse Osnabrück die Restaurierung des denkmalgeschützten Gebäudes. 2022 konnte Haus Wibbelsmann als neuer Kulturort in Glandorf in Betrieb genommen werden. Im Gespräch mit Kirsten Karg erzählt Dieter Heimsath, Kassenführer des Vereins, wie sich seither das Leben im Ort entwickelt hat.
Herr Heimsath, wie haben Sie die Situation vor der Sanierung erlebt?
„Haus Wibbelsmann“ war mitten im Ortskern das unansehnlichste Haus, über mehrere Jahre hinweg wurde es immer wieder umgebaut für verschiedenste Zwecke. Zum Zeitpunkt des Erwerbs durch Kultour-Gut war es abbruchreif. Für die Gemeinde, für den Ortsmittelpunkt und für uns war die Sanierung ein großer Glücksfall, denn damit haben wir das letzte Gebäude an der sogenannten Kirchhofsburg gesichert, sonst wäre es irgendwann in sich zusammengefallen. Es hat das alte Ambiente wieder erhalten, was es vor 200 Jahren hatte. Mittlerweile betreiben wir es als Kulturzentrum und sind sehr rege unterwegs. Früher lief in diesem Teil des Dorfkerns gar nichts, er war wie ausgestorben. Mittlerweile ist dort wieder viel Leben.
Wie hat es sich auf das Gemeindeleben ausgewirkt, dass es mit „Haus Wibbelsmann“ einen neuen Kulturort in Glandorf gibt?
Wir hatten bisher kein Zentrum für das kulturelle Leben, weil bis dahin überhaupt die Stätte dazu fehlte. Es existierte einfach kein Haus für Kulturveranstaltungen. Zwar gibt es in der Gemeinde auch ein sehr schönes katholisches Pfarrzentrum, das wir gelegentlich nutzen können, wenn uns bei einer besonders nachgefragten Veranstaltung der Platz nicht reicht. Aber es hat natürlich grundsätzlich eine andere Zweckbestimmung.
Die Mitgliederzahl unseres Vereins hat sich von ca. 50 auf 180 Mitglieder entwickelt, das hat uns einen enormen Schub gegeben. Relativ zur Bevölkerung gesehen sind das mehr als die Mitglieder großer Kulturvereine in Großstädten. Auch die Gemeinde identifiziert sich mit dem Haus, auch frühere Skeptiker, die damals gesagt haben: Lasst das sein, das schafft ihr doch gar nicht. Selbst der Bürgermeister nutzt das Haus beispielsweise, um das Bundesverdienstkreuz zu verleihen, weil das Gebäude so viel Ambiente hat. Das ist ein unglaublicher Zugewinn, eine Bereicherung für das Gemeindeleben. Und wir freuen uns, dass so viele Besucher und Gäste kommen.
Erzählen Sie doch mal: Wie wird das Haus Wibbelsmann konkret genutzt?
Es finden viele Veranstaltungen statt – am kommenden Sonntag beispielsweise [am 8.12.2024] über das ganze Haus verteilt unser großer Adventsmarkt, zu dem wir wieder einige hundert Besucher erwarten – außerdem Konzerte, Vortragsveranstaltungen, Kurse aus dem kreativ-künstlerischen wie auch politischen Bereich oder auch Schachkurse. Zwei „Native Speaker“ geben außerdem Plattdeutschkurse, zu denen sich interessanterweise vor allem jüngere Leute anmelden, die überhaupt kein Platt sprechen können, es aber gerne lernen möchten. Außerdem nutzt die Kreismusikschule das Haus für ihre Übungsstunden für Kinder. Von Mai bis September veranstalten wir unseren sogenannten Spätschoppen mit Bands und Ausschank, dann wird die Dielentür geöffnet, und es ist wieder kulturelles Leben miten im Dorf, einfach phantastisch.
Wir haben das Glück, dass in unserem mittlerweile 12-köpfigen Vorstand die unterschiedlichsten Fähigkeiten vertreten sind: Die Programmorganisation liegt beim geschäftsführenden Vorstand, außerdem haben wir einen Grafiker und Drucker, der die ganze Werbepalette für uns abdeckt, einen Historiker, der das Haus mit seiner Historie der Öffentlichkeit vorstellt, eine Künstlerin, die bis vor kurzem als Ärztin tätig war, oder eben unsere Plattdeutsch-Experten. Wir sind also über alle Sozialschichten und Berufsgruppen gleichmäßig vertreten: von der promovierten Medizinerin bis zum Handwerker. Damit erreichen wir in der Bevölkerung eine hohe Identifikation.
Sie arbeiten auch intensiv mit der Ludwig-Windhorst-Schule zusammen. Was bieten Sie in diesem Zusammenhang im Bereich Vermittlung an?
Die Ludwig-Windhorst-Schule ist unsere örtliche Oberschule. Von Beginn an haben wir uns um eine Kooperation bemüht, die mit den neuen Räumlichkeiten noch einmal richtig Fahrt aufgenommen hat. Wir bieten Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler zu geschichtlichen und lokalen Themen. So haben wir beispielsweise 330 Schüler durch unsere diesjährige Jubiläumsausstellung „950 Jahre Glandorf“ führen können, das war ein Riesenauftrieb. In einem weiteren (durch die VGH Stiftung geförderten) Projekt mit Schülerinnen und Schülern stellen wir die Tagebücher von Kriegsteilnehmern hier aus der Gemeinde vor. Die Schüler sind da sehr interessiert bei der Sache, denn sie hören auch Namen, die sie kennen. Wenn die Kinder zu einer Veranstaltung ins Haus Wibbelsmann gehen, dann ist das für sie eben nicht Schule. Ebenfalls gut angenommen werden die regelmäßigen Buchvorstellungen für Kinder und Jugendliche, außerdem gibt es einen Lesewettbewerb – beides kommt hervorragend an und Haus Wibbelsmann platzt an solchen Tagen geradezu aus allen Nähten.
Wenn Sie ein erstes Resümee ziehen müssten: Wie hat sich das Haus Wibbelsmann auf den Zusammenhalt in Glandorf ausgewirkt?
„Es ist ein Ruck durch die Gemeinde gegangen“, um mit unserem ehemaligen Bundespräsidenten zu sprechen. Wir verzeichnen mit unserem Programm im Haus Wibbelsmann Teilnehmer über alle sozialen Schichten hinweg. Zu uns kommen viele Menschen, die das zusätzliche übergreifende Angebot eines Kulturvereins gern nutzen. Dadurch entsteht eine Mischung, die wir früher nicht hatten. Das wird uns auch zurückgespiegelt, nach dem Motto „Ich habe hier Leute getroffen, die kenne ich zwar, aber die habe ich 20 Jahre lang nicht gesehen.“ Es macht Spaß, wenn man die Menschen wieder ins Gespräch bringen kann. Insofern ist es zu einem deutlichen Schub in unserem Zusammenhalt gekommen. Wir haben viele neue Aspekte in das Gemeindeleben hineingebracht.
Herr Heimsath, wird danken Ihnen herzlich für das Gespräch!